Der Stadtrat Filippo Leutenegger (fdp.) hat am Sonntag einen denkbar guten Einstand als neuer Vorsteher des Schul- und Sportdepartements erlebt: Die Stadtzürcher Stimmenden aller neun Wahlkreise haben die Ausweitung des Pilotprojekts Tagesschule 2025 um weitere 24 Schulen mit 77, 3 Prozent Ja-Stimmen gutgeheissen und den bis 2022 dafür notwendigen Objektkredit von knapp 75 Millionen Franken genehmigt. Er deckt die Mehrkosten für die Betreuung, die Anpassungen an der Infrastruktur, die Aufgabenstunden und diverse planerische und administrative Aufwendungen. Immerhin 38,7 Prozent der Stimmberechtigten nahmen an der Abstimmung teil. Am meisten Zustimmung erntete die Tagesschule mit 86,2 Prozent in den Stadtkreisen 4 und 5, am wenigsten mit 69,4 Prozent im Kreis 12.
An der Medienkonferenz des Stadtrats zeigte sich Leutenegger erfreut über das Ergebnis. Die Vorlage war allerdings nicht auf seinem Mist gewachsen. Stadtpräsidentin Corine Mauch (sp.) gratulierte denn auch dem vor wenigen Tagen abgetretenen, nicht im Stadthaus erschienenen Vorgänger Leuteneggers, Gerold Lauber (cvp.), zum Erfolg. Lauber hatte sich mit viel Herzblut für dieses städtische Tagesschulmodell eingesetzt. Für Leutenegger lässt das Resultat keinerlei Zweifel am Projekt offen. Viele Fragen seien aber noch zu beantworten. «Die Umsetzung wird eine logistische und personelle Herausforderung werden und auch die Eltern fordern», sagte er. «Schliesslich muss das Projekt bezahlbar bleiben.» Wichtig sei, dass man jetzt weiterfahren könne. Leutenegger hofft, das Projekt im Hinblick auf die flächendeckende Einführung «in gute und ruhige Gewässer» führen zu können.
Gegen die Vorlage hatte sich nur die städtische SVP gestellt. Sowohl die FDP als auch die SP und die Grünen nahmen am Sonntag erfreut zum Ausgang der Abstimmung Stellung, wenn auch mit unterschiedlicher Akzentsetzung. Die FDP wies darauf hin, dass am Anfang des Tagesschulversuchs ihre Motion von 2012 zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie stand, die bereits eine verkürzte Mittagszeit in einem vom Morgen bis in den Nachmittag durchgehenden Schulbetrieb gefordert hatte. Parteipräsident Severin Pflüger wird mit der Aussage zitiert, dass das Tageschulmodell 2025 mittel- bis langfristig höhere Bildungs- und Betreuungsqualität bei weniger Kosten für Personal und Infrastruktur bringen werde.
Die Grünen und die SP setzen den Hauptakzent auf die Verbesserung der Chancengerechtigkeit im Rahmen der Tagesschule. «Die von uns im Parlament geforderten flankierenden Massnahmen müssen nun umgesetzt werden», schreiben die Grünen. So sollen mehr Gelder zu Stärkung der Bildungsgerechtigkeit eingesetzt werden, sei es für Aufgabenhilfe oder Begabungsförderung. In der Tagesschule 2025 bleiben die Kinder an Tagen mit Nachmittagsunterricht über Mittag in der Schule. Die Teilnahme am Mittagstisch zum Preis von 6 Franken pro Mahlzeit ist verbindlich, es sei denn, ein Kind sei grundsätzlich vom Tagesschulbetrieb abgemeldet worden. In den bereits betriebenen sechs Tagesschulen ist das eine kleine Minderheit. Angeboten werden zudem freiwillige Aufgabenstunden nach Unterrichtsschluss. Freiwillig und kostenpflichtig ist die Nutzung des Betreuungsangebots in den freien Stunden zwischen 7 und 18 Uhr.
Zu den grossen anstehenden Aufgaben zählt für Leutenegger die Integration von Hort und Mittagstisch in den jetzt teilnehmenden Schulen und nach 2022 die Ausweitung auf die übrigen 69 Stadtzürcher Schulen.
aus der NZZ vom 10.6.2018
Wer beim Deutschschweizer Lehrplan 21 den Suchbegriff "Tagesschulen" eingibt, erhält als Antwort: "Der Suchbegriff "Tagesschulen" führte zu keinem Treffer." Tagesschulen kommen auch im überarbeiteten Lehrplan 21 nicht vor.
Tagesschulen werden zur Zeit an vielen Orten zügig ausgebaut und werden auch in der Deutschschweiz in 10-20 Jahren die Regel sein. Wir bedauern, dass der für die Zukunft der Bildung gedachte Lehrplan 21 keinen einzigen Hinweis auf die reichhaltigen Bildungschancen enthält, welche sich für Schülerinnen und Schüler im Rahmen von Tagesschulen ergeben.
In den Schulen der Zukunft werden Betreuungs- und Lehrpersonen zusammen mit weiteren Fachkräften den Schulalltag und den Lebensraum Schule gemeinsam für die Kinder und mit ihnen zusammen gestalten. Obwohl im Lehrplan 21 der Erwerb von "Kompetenzen" vielfach beschworen wird, wird diese wichtige Grundlage für soziales Lernen im Lehrplan völlig ignoriert. Tagesschulerfahrungen aus dem In- und Ausland wie auch zahlreichen Studien belegen, welche wichtige Bedeutung die Gestaltung des Ganztags für die Schule hat.
Leider haben diese Erkenntnisse noch zu wenig Eingang in das Denken und Handeln von Behörden, Verwaltungen und Politik in der Deutschschweiz gefunden. Damit ist der Lehrplan 21 in einem wichtigen Punkt schon heute veraltet.
Christine Flitner, Präsidentin Bildung und Betreuung Schweiz
Das bfu hat eine Broschüre zum Thema Sicherheit und Unfallverhütung in Kinderbetreuungseinrichtungen veröffentlicht, welche Fragen rund um Sicherheit und Risiko situationsgerecht behandelt. Der Leitfaden, an dem auch der Verein Bildung und Betreuung mitgearbeitet hat, richtet sich an Betreuungspersonen aus Kindergärten, Schulen, Kitas Spielgruppen und Horten. Er soll Mut machen, den Kindern eine sichere Umgebung mit hohem Spielwert zu bieten und dabei auch herausfordernde Unternehmungen zuzulassen.
Die Broschüre kann beim bfu bestellt werden (www.bfu.ch) oder hier herabgeladen werden: Download bfu-Broschüre